Sie sind der Albtraum vieler Serien- und Filmfans: Spoiler. Doch in Zeiten von Instagram, Facebook, Twitter und Co. kommt man häufig nur schwer um sie herum. Aber woher kommt diese Angst vor Spoilern? Was sind Spoiler eigentlich genau? Und was bedeuten Spoiler überhaupt für den Konsum von Serien? Die Kommunikationswissenschaft hat bereits (einige) Antworten auf diese Fragen.
Inzwischen wurden bereits verschiedene Apps1 mit Namen wie Spoiler Block oder Spoiler Shield entwickelt, die den Nutzer vor Spoilern in verschiedenen sozialen Netzwerken schützen sollen. Der Nutzer kann Filme, Serien oder sogar Sportturniere auswählen und die App sorgt dafür, dass Beiträge, die entsprechende Spoiler enthalten im News Feed verborgen werden. Umgekehrt gibt es aber auch eine App, mit der man Spoiler der Serie Game of Thrones an Personen versenden kann, die man nicht mag. Die Sorge „gespoilert“ zu werden und Möglichkeiten, sich gegen ungewollte Spoiler zu schützen, scheinen in der Online-Welt mittlerweile allgegenwärtig zu sein.
Intuitiv erscheint es logisch, dass das Vorwegnehmen wesentlicher Handlungselemente einer Serie oder eines Films, den Spaß am Schauen verderben kann. Man will sich doch überraschen lassen und Spannung erleben. Aber ist ein Spoiler wirklich immer negativ?
Wie definiert die Wissenschaft Spoiler?
Der Begriff Spoiler kommt vom Englischen „to spoil“, was so viel bedeutet wie „jemandem etwas verderben oder schlecht machen“. Auf Unterhaltungsangebote wie Serien, Filme oder Bücher bezogen, werden Spoiler wie folgt verstanden: Spoiler geben das Ende einer Geschichte oder ein wichtiges Ereignis des narrativen Verlaufs preis, sodass ein Zuschauer oder Leser schon zu Beginn weiß, wie eine Handlung sich entwickeln wird.2 3 Im Kontext von Filmen und Serien ist es vor allem die Vorwegnahme sehr entscheidender Handlungselemente (wie z. B. der Tod eines Protagonisten, die Trennung eines Paares, oder das Ausscheiden eines Schauspielers aus der Serie), die als klare Spoiler angesehen werden.
Das Phänomen des “Spoilerns” hat sich insbesondere durch die neuartigen Sehgewohnheiten verändert. Das klassische, lineare Fernsehen bot Rezipienten kaum die Möglichkeit Inhalte aus Serien vorab zu erfahren und so überhaupt “spoilern” zu können. Erst seit dem Durchbruch der Video-On-Demand-Dienste wie Netflix, Amazon Prime, Maxdome und auch dem illegalen Streamen von Serien ist es den Zuschauer möglich, unabhängig voneinander und zeitversetzt zu schauen. Gerade durch das immer häufiger umgesetzte Binge-Watching (das Anschauen ganzer Staffeln oder zumindest mehrerer Folgen am Stück) können einzelne Rezipienten gegenüber anderen einen wesentlichen Wissensvorsprung erlangen und so auch die Handlung “spoilern”.
Der Wortursprung weist bereits daraufhin, dass das Wort Spoiler sehr negativ belegt ist. Allgemein wird also davon ausgegangen, dass Spoiler den Genuss von Geschichten „verderben“ und somit einen negativen Effekt auf die Unterhaltung durch Serien, Filme usw. haben. Aber gibt es in der Kommunikationswissenschaft überhaupt Theorien, die diese Annahme stützen?
Die negative Perspektive: Spoiler vermindern das Unterhaltungserleben
Allgemein wird Unterhaltungsleben als ein Gefühl von Vergnügen definiert, das während der Nutzung von Medien auftritt.4 Eine klassische Perspektive auf das Unterhaltungserleben bieten Zillmann et al. (1975) an.5 Sie gingen davon aus, dass Unterhaltung aus der Ungewissheit entsteht, die man während der Rezeption (also dem Anschauen einer Serie oder eines Films) empfindet. Wird diese Ungewissheit aufgelöst, führt das zu einem euphorischen Gefühl: aus Spannung wird Unterhaltung.
Das Wesen von Spoilern ist es nun, wichtige Teile der Handlung vorweg zu nehmen. Deshalb kann auf Basis dieser Theorie geschlussfolgert werden, dass Spoiler die Entstehung von Ungewissheit im Handlungsverlauf verhindern, was wiederrum zu einer Minderung des Unterhaltungserlebens führt. Anders gesagt: Weil keine Spannung mehr entstehen kann, macht das Anschauen auch weniger Spaß. Doch gibt es in der empirischen Forschung auch Ansätze, die dieser Schlussfolgerung widersprechen?

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Die positive Perspektive: Spoiler wirken positiv auf das Unterhaltungserleben
Die Wissenschaftler Jonathan Leavitt und Nicholas Christenfeld führten 2011 eine Studie durch, die unter dem Name „Spoilers don’t spoil stories“ veröffentlicht wurde.6 In dieser gehen sie von positiven Effekten von Spoilern auf die Unterhaltung aus. Sie führen zwei Argumente aus dem alltäglichen Leben auf, um zu zeigen, dass Spannung und Ungewissheit über das Ende einer Geschichte möglicherweise nicht der ausschlaggebende Faktor für Unterhaltungserleben sind: Zum einen argumentieren sie, dass Menschen Geschichten in Form von Filmen, Büchern oder auch Serien mehrfach ansehen oder lesen können, ohne dass die Unterhaltung gemindert wird. Zum anderen gibt es viele Handlungen, in denen das Ende bereits durch das Genre impliziert wird, die sich aber dennoch großer Beliebtheit erfreuen. Wie zum Beispiel das obligatorische Happy End in einer romantischen Komödie.
Zur Erklärung dieser Argumente ziehen sie die Theorie der Perceptual Fluency heran.7 Diese geht davon aus, dass das Vorwissen über das Ende einer Handlung dazu führt, dass Ereignisse und Objekte der Geschichte mit mehr Leichtigkeit betrachtet werden können, die mit ästhetischer Unterhaltung, positivem Affekt und mehr Engagement für die Handlung einher geht. Es gibt also theoretisch-plausible Gründe, weshalb nicht davon ausgegangen werden muss, dass Spoiler die Unterhaltung verderben.
Um diese Überlegungen zu überprüfen, führten die Autoren dann ein Experiment durch.8 Sie ließen circa 800 Teilnehmer jeweils drei Kurzgeschichten lesen: eine Geschichte mit einer ironischen Wendung, eine Mystery-Geschichte und eine tiefgründige Geschichte, die zum Nachdenken anregen soll. Je eine der Geschichten wurde durch eine kurze Zusammenfassung der Geschichte gespoilert, einer weiteren wurde die Zusammenfassung vorangestellt, welche jedoch nicht gelesen werden musste und eine der Geschichte blieb ohne einen Spoiler. Nach jeder gelesenen Kurzgeschichte mussten die Teilnehmer diese auf einer Skala von 1 bis 10 (1: niedrigste Wertung; 10: beste Wertung) nach ihrer Unterhaltsamkeit bewerten.
Und tatsächlich, die Studie konnte die theoretischen Überlegungen der Autoren bestätigen: Bei der Mystery-Geschichte bewerteten beispielsweise die Teilnehmer tatsächlich die gespoilerte Geschichte (Mittelwert = 7.29) besser gegenüber der nicht-gespoilerten Geschichte (Mittelwert = 6.60). Im Durchschnitt empfanden die Teilnehmer in allen drei Fällen die gespoilerten Geschichten als unterhaltsamer als die Geschichten ohne Spoiler. Demnach haben Spoiler also wirklich einen positiven Effekt auf Unterhaltung – oder etwa nicht?
Scheinbare Widersprüche in der Forschung
Leider lässt sich diese Frage eher mit „Nein“ beantworten. Die Forscher Benjamin Johnson und Judith Rosenbaum haben versucht, diesen positiven Effekt in einer eigenen Studie zu replizieren: ohne Erfolg.9 In ihrem Experiment zeigte sich ein gegenteiliger Effekt, denn die 412 Teilnehmer der Studie bewerteten ungespoilerte Kurzgeschichten als unterhaltsamer als Geschichten mit einem Spoiler. Die Teilnehmer bewerteten die gelesenen Geschichten auf einer Skala von 1 bis 7 (1: niedrigste Wertung; 7: beste Wertung). Dabei erreichten die ungespoilerten Geschichten einen Mittelwert von 3,11, die gespoilerten Geschichten jedoch nur einen Mittelwert von 2,11. Die bisherigen Befunde scheine also sowohl positive als auch negative Effekte von Spoiler zu unterstützen. Wie ist das möglich?
Einerseits sind vielleicht zwei Studien allein noch nicht ausreichend um den wahren Effekt von Spoilern robust zu identifizieren. Es bedarf also mehr Studien, um die Wirkung von unterschiedlichen Spoilern zu untersuchen. Andererseits gibt es unter Umständen auch plausible Erklärungen für diese scheinbar widersprüchlichen Ergebnisse.
Erstens könnte ein möglicher Grund sein, dass jeder Mensch Spoiler auf eine andere Art und Weise wahrnimmt. So fühlen sich manche durch Spoiler in ihrem Unterhaltungserleben mehr gestört als andere. Zukünftige Studien könnten also die Persönlichkeit der Rezipienten als einen potenziellen Moderator berücksichtigen.10 Dazu könnten unter anderem verschiedene Level von Empathie zählen, da sie beeinflusst wie stark sich eine Person in einen fiktiven Charakter hineinversetzen kann. Aber auch verschiedene Ausprägungen des need for cognition können berücksichtigt werden. Manche Menschen haben mehr Freude daran als andere, Geschichten aktiv zu durchdenken und sich während der Rezeption kognitiv anzustrengen. So könnten gespoilerte Geschichten für Menschen mit niedriger Ausprägung des need for cognition attraktiver sein.11

Als zweites könnte auch das Genre der von den Studienteilnehmern gelesenen Kurzgeschichten einen Einfluss auf diesen Zusammenhang haben. So gibt es Genres, bei denen der Ausgang einer Geschichte bereits implizit angenommen werden kann und andere, bei denen das nicht der Fall ist.12 Bestimmte Serien haben erwartbare Handlungsverläufe, andere nicht. Manchmal ist es jeweils genau diese Eigenschaft, die eine Serie unterhaltsam macht. Der verstrickte Handlungsverlauf von Game of Thrones ist zum Beispiel wenig vorhersehbar und die Spannung mit der man diesen verfolgt, trägt maßgeblich zur Unterhaltung bei. Ein Spoiler kann dies in der Tat verderben. Einzelne Folgen von Sitcoms wie How I met your mother oder The Big Bang Theory haben dagegen häufig ähnliche und gleichbleibende Handlungsverläufe. Bestimmte Elemente der Handlung sind deswegen wenig überraschend. Hier sind Spoiler unter Umständen weniger schädlich. Mitunter freut man sich sogar, dass die Handlung in eine erwartbare Richtung läuft.
Drittens muss auch die Art des Spoilers berücksichtigt werden. Die Vorwegnahme konkreter Handlungselemente ist unter Umständen immer negativ für das Unterhaltungserleben, Einblicke in die Art der Kameraführung und in ein paar Szenen eines Film oder einer Serie können dagegen die Vorfreude erhöhen (z.B. wie bei Trailern vor Kinofilmen). Wirkt ein Spoiler zudem unterschiedlich wenn er nur zufällig entdeckt wurde oder durch eine andere Person bewusst erzählt wird? Selbst wenn Handlungselemente vorweggenommen werden, macht es einen Unterschied wie viel gespoilert wird?
Wie geht es wohl weiter in der Forschung zu Spoilern und Unterhaltung?
Die bisherigen Studien, die Effekte von Spoilern auf das Unterhaltungserleben unter die Lupe genommen haben, nutzten hauptsächlich geschriebene Kurzgeschichten. Da Spoiler aktuell aber vor allem in der Welt der Filme und Serien eine Rolle spielen, ist es nun an der Zeit, diesen Effekt vorrangig in diesem Kontext zu untersuchen. Dabei sollten die besonderen Eigenschaften medialer Spoiler berücksichtigt werden.
Abschließend können wir uns wieder die entscheidende Frage stellen: Sollten wir Spoiler vermeiden oder nicht? Auch wenn es dazu keine eindeutigen Befunde gibt: In vielen Alltagssituationen ist es doch gerade die Überraschung, die Spannung, Spaß und Unterhaltung bietet. Am besten probiert man es selbst mal aus: Wie viel Spaß macht mir eine Folge meiner Lieblingsserie, wenn ich vorher schon etwas über den Ausgang der Handlung weiß? Und wie viel Spaß macht sie mir, wenn ich noch nichts darüber weiß? Und auch wenn es verlockend ist, über die neuste Folge von Game of Thrones am nächsten Morgen in der Schule oder im Büro zu reden, es sollte uns klar sein, dass wir manchen den Spaß an der Serie mit zu viel Information verderben können.
Autorin: Julia Reger
Julia kommt aus Würzburg und studiert seit Oktober im Master Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Universität Hohenheim.
Fußnoten
- Apps = Applikationen; Software-Anwendungen, die auf Smartphones, Tablets oder einem Computer installiert werden können.
- Leavitt, J. D., & Christenfeld, N. J. S. (2011). Story Spoilers Don’t Spoil Stories. Psychological Science, 22(9), 1152–1154. https://doi.org/10.1177/0956797611417007
- Johnson, B. K., & Rosenbaum, J. E. (2015). Spoiler Alert: Consequences of Narrative Spoilers for Dimensions of Enjoyment, Appreciation, and Transportation. Communication Research, 42(8), 1068–1088. https://doi.org/10.1177/0093650214564051
- Vorderer, P., Klimmt, C., & Ritterfeld, U. (2004). Enjoyment: At the heart of media entertainment. Communication Theory, 14(4), 388-408. https://doi.org/10.1111/j.1468-2885.2004.tb00321.x
- Zillmann, D., Hay, T. A., & Bryant, J. (1975). The effect of suspense and its resolution on the appreciation of dramatic presentations. Journal of Research in Personality, 9, 307-323. https://doi.org/10.1016/0092-6566(75)90005-7
- Leavitt, J. D., & Christenfeld, N. J. S. (2011). Story Spoilers Don’t Spoil Stories. Psychological Science, 22(9), 1152–1154. https://doi.org/10.1177/0956797611417007
- Reber, R., Schwarz, N., & Winkielman, P. (2004). Processing fluency and aesthetic pleasure: Is beauty in the perceiver’s processing experience?. Personality and social psychology review, 8(4), 364-382. https://doi.org/10.1207/s15327957pspr0804_3
- Leavitt, J. D., & Christenfeld, N. J. S. (2011). Story Spoilers Don’t Spoil Stories. Psychological Science, 22(9), 1152–1154. https://doi.org/10.1177/0956797611417007
- Johnson, B. K., & Rosenbaum, J. E. (2015). Spoiler Alert: Consequences of Narrative Spoilers for Dimensions of Enjoyment, Appreciation, and Transportation. Communication Research, 42(8), 1068–1088. https://doi.org/10.1177/0093650214564051
- Johnson, B. K., & Rosenbaum, J. E. (2015 ).
- Rosenbaum, J. E., & Johnson, B. K. (2016). Who’s afraid of spoilers? Need for cognition, need for affect, and narrative selection and enjoyment. Psychology of Popular Media Culture, 5(3), 273-289. http://dx.doi.org/10.1037/ppm0000076
- Johnson, B. K., & Rosenbaum, J. E. (2015 ).