Wenn Rick Grimes in The Walking Dead nach einer Zombie-Apokalypse um das Überleben seiner Freunde und Familie kämpft, Familie Hamon in American Horror Story von einem bösartigen Geist gejagt wird oder Kyle Barnes in Outcast als Exorzist Dämonen austreibt, dann sitzen Millionen von Zuschauern gespannt vor den Bildschirmen und sehen zu. Seit einigen Jahren erfreuen sich Serien mit Horrorinhalten wachsender Beliebtheit. So sahen beispielweise in den USA circa 14 Millionen Menschen das Finale der 6. Staffel der Serie The Walking Dead.1 Mit der 7. Staffel brach die Serie schließlich auch online alle Rekorde, denn auf jede ausgestrahlte Folge kamen circa 2 Millionen Twitter-Posts.2 Die Serie ist sogar so beliebt, dass seit 2015 mit Fear the Walking Dead ein Spin-off ausgestrahlt wird, das ebenfalls bereits vier Staffeln umfasst und als zeitlich paralleler Handlungsstrang zur Originalserie verläuft.
Aber was fasziniert die Zuschauer so sehr an solchen gewalthaltigen und gruseligen Serien? Zu Serien mit Horrorkontext gibt es in der kommunikationswissenschaftlichen und medienpsychologischen Forschung bisher kaum Studien und entsprechend auch nur wenige Ergebnisse.3 Klassische Horrorfilme wurden im Gegensatz dazu bereits sehr umfassend erforscht. Zwischen diesen Genres sollten sich Ergebnisse eigentlich gut aufeinander übertragen lassen, da sie sich in ihren Rahmenbedingungen sehr ähnlich sind. Lin und Xu argumentieren jedoch, dass beide Medienformen voneinander differenziert betrachtet werden müssen.4 Doch worin bestehen diese Unterschiede überhaupt?

Unterschiede zwischen Horrorfilmen und Horrorserien
Horrorfilme werden bewusst so gedreht, dass sie die Zuschauer zumindest zeitweilig verängstigen und oft erschrecken. Sie enthalten darüber hinaus oftmals gewalthaltige Elemente, in denen Personen durch andere angegriffen oder physisch verletzt werden. Zusätzlich enthalten Horrorfilme häufig übernatürliche Elemente (z.B. Zombies, Geister oder Dämonen).5 Serien mit Horrorinhalten teilen zwar diese typischen Elemente mit Horrorfilmen, jedoch stehen diese häufig nicht so stark im Vordergrund der Handlung. Viel mehr sind es die Beziehungen zwischen den verschiedenen Charakteren, die explizit ausgearbeitet werden.6 Das typische Horror-Szenario ist also eher die Umwelt, in denen komplexe Handlungsstränge entwickelt werden. Anders gesagt Während klassische Horrorfilme oftmals bewusst so konzipiert sind, dass sich Zuschauer erschrecken und Angst oder sogar Ekel empfinden, gerät dieser Aspekt bei Horrorserien nahezu in den Hintergrund. Die Horrorelemente bilden letztlich nur den Rahmen für die Handlung der Serie.
Es zeigt sich also, dass es durchaus Grund zu der Annahme gibt, dass Horrorfilme und Horrorserien trotz ihrer Gemeinsamkeiten differenziert betrachtet werden sollten. Doch wie bereits angesprochen, gibt es wenig bis keine Forschung zum Zusammenhang zwischen Unterhaltungserleben und Serien mit Horrorinhalten im Speziellen. Daher soll im Folgenden zunächst versucht werden, den Forschungsstand in Bezug auf Horror Filme darzustellen und auf Serien zu übertragen.
Horror-Ikone Stephen King schrieb einmal: „When we pay our four or five bucks and seat ourselves at tenth-row center in a theater showing a horror movie, we are daring the nightmare. Why? Some of the reasons are simple and obvious. To show that we can, that we are not afraid, that we can ride this roller coaster.“ 7 Er erklärt die Faszination von Horrorfilmen also vor allem dadurch, dass Menschen sich beweisen möchten, dass sie diese Art von Filmen ansehen können. Aber ist es wirklich so einfach?
In der Forschung wird die Unterhaltung durch Horrorfilme aus einer komplexeren Perspektive betrachtet. Vor allem die Annahme des Suspense-Enjoyments (deutsch: Spannungserlebens) von Zillmann et al. (1975) wurde häufig auf Horrorfilme übertragen.8 Sie geht davon aus, dass Unterhaltung aus der Ungewissheit entsteht, die man während der Rezeption eines Horrorfilms empfindet. Wird diese Ungewissheit aufgelöst, führt das zu einem euphorischen Gefühl und aus Spannung wird Unterhaltung.9 Doch erklärt diese Theorie nur die Unterhaltung durch eine ganze bestimmte Art von Horrorfilmen: nämlich solche, die mit einem Happy End, also einem positiven und glücklichen Ende für den Hauptdarsteller schließen. Die Theorie des Spannungserlebens wurde deswegen im Zusammenhang mit Horrorfilmen bereits häufiger verworfen.
Vielleicht liegt es nicht an den Filmen, sondern an uns?
Aber warum lassen wir uns dennoch von gruseligen, ekeligen und gewalthaltigen Filmen oder Serien unterhalten? Weitere Forschung hat sich dahingehend mit der Frage beschäftigt, welche Eigenschaften des Individuums ausschlaggebend für die Unterhaltung durch Horrorfilme sind. Es zeigte sich zum Beispiel häufiger, dass Männer Horrorfilme unterhaltsamer finden, als Frauen. Zillmann und Weaver sehen dies als ein Ergebnis der Geschlechterrollen-Sozialisation an.10 Sie gehen davon aus, dass Männer schon in jungen Jahren lernen, dass Furchtlosigkeit und Gewaltbereitschaft maskulin sind. Auch das Alter spielt hierbei eine Rolle. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Fähigkeit, furchteinflößende Inhalte als unterhaltsam zu empfinden, erst mit zunehmendem Alter entwickelt und in der Zeit der Pubertät ihren Höhepunkt findet.11
Eine weitere Möglichkeit zur Erklärung von Unterhaltung durch Horrorfilme, könnte auch sein, dass Personen, die Erregung und Spannung, die aus solchen beängstigenden Inhalte resultiert, als belohnend empfinden und so dazu neigen, sich gezielt dieser Art von Filmen auszusetzen. Diese individuelle Tendenz genau diejenigen Stimuli aufzusuchen, die eine starke Erregung hervorrufen, nennt man auch Sensation Seeking (deutsch: das Verlangen nach Empfindung und Aufregung).12 Man geht also davon aus, dass Personen mit einer hohen Tendenz zum Sensation Seeking mehr Unterhaltung durch Horrorfilme empfinden. In der Tat konnten in der Horrorfilm-Forschung bereits Zusammenhänge zwischen Sensation Seeking und dem häufigen Ansehen von Horrorfilmen gezeigt werden.13

Aber auch Persönlichkeitseigenschaften wie Empathie und Aggressivität wurden in der Forschung berücksichtigt. Menschen, die sehr empathisch sind, also die Emotionen von anderen Personen gut mitfühlen und sich in diese hineinversetzen können, erleben bei der Rezeption von Horrorfilmen mehr negativen Emotionen und finden diese darum auch weniger unterhaltsam.14
Anders verhält es sich bei Personen, die eher aggressive Charakterzüge besitzen. Es konnte beispielweise gezeigt werden, dass aggressive Individuen grundsätzlich lieber gewalthaltige und furchterregende Inhalte sehen.15 Einige Zeit wurde auch angenommen, dass Horrorfilme Menschen zu aggressiveren Menschen machen. Doch zum jetzigen Zeitpunkt geht man von dem umgekehrten Effekt aus: aggressivere Persönlichkeiten wählen gezielt gewalthaltige Medieninhalte aus.16
Und was bedeutet das für die zukünftige Forschung?
Wie sich zeigt, gibt es verschiedene Ansätze aus der Horrorfilm-Forschung, die sich scheinbar auch auf Serien mit Horrorinhalte anwenden lassen. So lässt sich die Faszination für gewalthaltige und furchteinflößende Inhalten zwar nicht vollständig erklären, aber in Teilen dennoch gut beschreiben und auf verschiedenen Ebenen interpretieren. Unterschiede zwischen verschiedenen Unterhaltungsformaten mit Horror-Elementen und wie diese auf das Unterhaltungserleben wirken, wurde bisher nur unzureichend analysiert. Es ist durchaus denkbar, dass Horror-Serien, aufgrund ihres stärkeren Fokus auf die Handlung, auch von Personen als unterhaltsam angesehen werden, die mit klassischen Horrorfilmen wenig anfangen können. Damit könnte dieses Genre auch für Personen interessant sein, die eigentlich weniger Unterhaltung durch Horrorfilme empfinden: wie zum Beispiel jene mit einem hohen Empathielevel. Diese unterschiedlichen Einflüsse durch Geschlecht und Persönlichkeit könnten in weiterführender Forschung zu Horrorserien eine interessante Perspektive eröffnen.
Aber auch die Nähe zu Serien ohne Horrorinhalten sollte berücksichtigt werden, welche sich im Kern meistens ebenfalls mit den Beziehungen zwischen den verschiedenen Charakteren beschäftigen. Gibt es Unterschiede zwischen der Unterhaltung durch solche Serie und der durch Horrorserien? Oder rücken die Horrorelemente so weit in den Hintergrund, dass sie für die Unterhaltung keine so große Rolle mehr spielen, wie wir glauben?
Zukünftiger Forschung sollte also vor allem jene Merkmale im Vordergrund stehen, die Serien mit Horrorinhalten nach Lin und Xu (2017) von klassischen Horrorfilmen unterscheiden.17 Dabei stellt sich zunächst auch die grundlegende Frage, ob diese Differenzierung überhaupt haltbar ist.
Auch wenn es weiterhin nicht ganz klar ist, warum Menschen Horrorfilme oder -serien unterhaltsam finden, eins bleibt so gut wie sicher: Wenn in der nächsten Staffel von The Walking Dead wieder Zombies über den Bildschirm wandern oder Geister in American Horror Story ihr Unwesen treiben, dann werden wieder Millionen von Zuschauern dabei sein.
Autorin: Julia Reger
Julia kommt aus Würzburg und studiert seit Oktober im Master Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Universität Hohenheim.
Fußnoten
- Kayali, Ö. (2017). Trotz Zuschauerverlust: The Walking Dead hat die besten Einschaltquoten. Abrufbar unter: https://www.chip.de/news/The-Walking-Dead-Schlechte-Quoten-beim-Staffelfinale_112410943.html
- Kayali, Ö. (2017). The Walking Dead: Erfolgsserie bricht Rekord im Netz. Abrufbar unter: https://www.chip.de/news/The-Walking-Dead-Erfolgsserie-bricht-Rekord-im-Netz_116394054.html
- Lin, C. A., & Xu, Z. (2017). Watching TV Series with Horror Content: Audience Attributes, Motivations, Involvement and Enjoyment. Journal of Broadcasting & Electronic Media, 61(4), 638-657. https://doi.org/10.1080/08838151.2017.1375503
- Lin & Xu (2017).
- Hoffner, C. A., & Levine, K. J. (2005). Enjoyment of mediated fright and violence: A meta-analysis. Media Psychology, 7(2), 207-237. https://doi.org/10.1207/S1532785XMEP0702_5
- Lin & Xu (2017).
- King, S. (1981). Why we crave horror movies. Short Essays for Composition, 524-527.
- Tamborini, R., & Stiff, J. (1987). Predictors of horror film attendance and appeal: An analysis of the audience for frightening films. Communication Research, 14(4), 415-436. https://doi.org/10.1177/009365087014004003
- Zillmann, D., Hay, T. A., & Bryant, J. (1975). The effect of suspense and its resolution on the appreciation of dramatic presentations. Journal of Research in Personality, 9, 307-323. https://doi.org/10.1016/0092-6566(75)90005-7
- Zillmann, D., & Weaver, J. B. (1996). Gender-socialization theory of reactions to horror. Horror films: Current research on audience preferences and reactions, 81-101.
- Cantor, J. (1998). Children’s attraction to violent television programming. In J. H. Goldstein (Ed.), Why We watch:The attractions of violent entertainment (pp. 88–115).New York: Oxford University Press.
- Zuckerman, M. (1979). Sensation seeking and risk taking. In Emotions in personality and psychopathology (S. 161-197). Boston: Springer. https://doi.org/10.1007/978-1-4613-2892-6_7
- Cantor (1998).
- Tamborini, R. (1996). A model of empathy and emotional reactions to horror. Horror films: Current research on audience preferences and reactions, 103-123.
- Hoffner, C. A., & Levine, K. J. (2005). Enjoyment of mediated fright and violence: A meta-analysis. Media Psychology, 7(2), 207-237. https://doi.org/10.1207/S1532785XMEP0702_5
- Hoffner & Levine (2005).
- Lin, C. A., & Xu, Z. (2017). Watching TV Series with Horror Content: Audience Attributes, Motivations, Involvement and Enjoyment. Journal of Broadcasting & Electronic Media, 61(4), 638-657. https://doi.org/10.1080/08838151.2017.1375503